Städtepartnerschaft Gießen - San Juan del Sur in Nicaragua Unsere Nachbarn vom Pazifik
Städtepartnerschaft Gießen - San Juan del Surin Nicaragua Unsere Nachbarn vom Pazifik
Wahlsieg der UNO 1990

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1990 Krisenstimmung – die Solidaritätsbewegung spielt verrückt..

 

1990 erschütterte ein politisches Erdbeben die gesamte Solidaritätsbewegung. Die Bevölkerung Nicaraguas hatte in einer mehr oder weniger demokratischen Wahl die Garanten für einen revolutionären Weg, nämlich die FSLN (Frente Sandinista de Liberacion Nacional), abgewählt.

Ziel der Städtepartnerschaftsarbeit in Gießen war primär die Unterstützung der Revolution mit ihren Bemühungen, Land neu zu verteilen, Bildung und Gesundheit für alle zu ermöglichen und einen eigenständigen Weg zwischen den großen Machtblöcken in Ost und West zu gehen, nicht aber die Beschränkung auf rein humanitäre Projekte. Schließlich sollte die Revolution die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine Verbesserung der Lebensbedingungen schaffen. Über die Städtepartnerschaften sollte in Deutschland mehr Öffentlichkeit für die revolutionären Anstrengungen in Nicaragua gewonnen werden, die Kommunen sollten gegen die Blockadehaltung der Bundesregierung politischen Druck ausüben. Diese Gründe schienen über Nacht entfallen zu sein. Sollte man jetzt die Arbeit einstellen?

Die Diskussion um die Motive für die Solidaritätsarbeit war nicht nur in Gießen voll entflammt, obwohl entgegen dem allgemeinen Landestrend die FSLN in San Juan del Sur die Mehrheit behielt. San Juan war aber keine Insel und die Maßnahmen der neuen Rechtsregierung würden auch Gießens Partnerstadt schwer treffen. Der Sieg des Wahlbündnisses
aus 14 Parteien UNO (Unión Nacional Opositora) war zuallererst ein Sieg der US-Strategie mit ihrem „Krieg niedriger Intensität“, der offenen Unterstützung der Contrarebellen und der alles umfassenden Wirtschaftsblockade. Die FSLN hatte nur selten den Spielraum zur Umsetzung ihrer revolutionären Ideale, die Bevölkerung war nach 10 Jahren kriegsmüde. Beispielsweise waren 1987 in San Juan del Sur rund 10% der gesamten Stadtbevölkerung zum Militärdienst eingezogen worden, ca.15 junge Männer wurden in militärischen Auseinandersetzungen getötet.

Das Ergebnis der Wahlen bereitete der Solidaritätsbewegung lange Zeit Kopfschmerzen. Es war relativ einfach, in einem fernen Land etwas Gutes zu tun. Die Menschen in Nicaragua waren auf dem Weg in eine neuere, bessere Gesellschaft – und kippten die Weiterverfolgung dieser durch ihre Wahlstimme. In Deutschland war man nun wieder mit den politischen Realitäten vor der eigenen Haustür konfrontiert. Die Verwirklichung der Utopie von einer anderen Gesellschaft, eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz, musste allmählich begraben werden. Die Auseinandersetzung mit dem Scheitern der FSLN ist für viele Teilnehmer der Solidaritätsbewegung bis heute schmerzhaft geblieben.

Die Verunsicherung über die neuen Machtverhältnisse in Nicaragua war im Gießener Montagsplenum spürbar: wie sollte es nun mit der Solidaritätsarbeit weitergehen, mit wem konnte man noch solidarisch sein, konnte die Unterstützung jetzt in „falsche Hände“ geraten?

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