Städtepartnerschaft Gießen - San Juan del Sur in Nicaragua Unsere Nachbarn vom Pazifik
Städtepartnerschaft Gießen - San Juan del Surin Nicaragua Unsere Nachbarn vom Pazifik
Freundschaft über den Atlantik hinweg Quelle: gipanic

1991-2006 Umbrüche, Positionierung und Kontinuität

 

Ein paar Jahre später war von den Errungenschaften der Revolution in Nicaragua nicht mehr allzu viel übrig geblieben – die Führung der FSLN hatte sich nach der verlorenen Wahl noch eiligst ihre Pfründe in der sogenannten „pinata“ gesichert und paktierte nun aus Machterhaltungstrieb mit dem ehemaligen Erzfeind, dem Rechtsbündnis. Die Frente Sandinista war für die solidaritätsbewegten Deutschen kein Hoffnungsträger mehr. Die neueren Entwicklungen in Nicaragua führten vereinzelt zu Austritten aus dem Städtepartnerschaftsverein, einige der bis dahin Aktiven zogen sich enttäuscht zurück, andere verließen aus persönlichen Gründen die Universitätsstadt.

Diejenigen, die die Arbeit fortsetzten, beobachteten weiterhin aufmerksam die Entwicklungen in Nicaragua – nicht zuletzt waren es die kleinen Momente des Aufbegehrens der nicaraguanischen Bevölkerung wie zum Beispiel der nationale Marsch gegen die Korruption 1999, die deutlich machten, dass die 80er Jahre nicht nur Geschichte waren. Auch in San Juan del Sur gab es weiterhin engagierte Menschen, die im Kampf für ein Leben in Freiheit und Würde nicht aufgegeben hatten und sich auf kommunaler Ebene für kleine Schritte der Veränderung einsetzten. Der Gießener Verein wollte diese fortschrittlichen Kräfte in San Juan weiter unterstützen. Warum sollte man die Freunde und Freundinnen jetzt allein lassen – nur, weil alles viel schwieriger geworden war?

Anders als in der Anfangsphase der Vereinsarbeit erhielt jetzt die Projektzusammenarbeit einen höheren Stellenwert. Dabei verstand sich die Projektförderung nicht bloß als rein humanitäre Aufgabe, sondern als Plattform für die Auseinandersetzung mit ungerechten Strukturen vor Ort und den Dialog mit den Partnern. Statt Barmherzigkeit für die Opfer des neoliberalen Systems stand die Forderung nach Solidarität und Gerechtigkeit. Dabei erwiesen sich die Arbeitschwerpunkte Bildung, Gesundheit und Frauenförderung als wirksame Hebel, um unter erschwerten Bedingungen Verbesserungen für die Bewohnerinnen und Bewohner von San Juan umzusetzen.

Der Wirbelsturm Mitch über Nicaragua

Der Wunsch des Gießener Vereins, dass sich in San Juan analog zu gipanic auch ein Partnerschaftsverein gründen möge, in dem Vertreter und Vertreterinnen der einzelnen Sektoren Projekte entwickelten, analysierten und abgestimmten, konnte nicht erfüllt werden – zu stark dominierten Neid, Einzelinteressen und Rivalitäten die Menschen in der Hafenstadt. Dennoch konnte sich eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen, dem Gesundheitszentrum und diversen Bildungseinrichtungen entwickeln. Ein neues Betätigungsfeld wurde in den 90er Jahren, eher unfreiwillig, die Katastrophenhilfe: im Herbst 1992 verwüstete ein Seebeben die Pazifikküste San Juans, im Herbst 1998 hinterließ Hurrikan Mitch Spuren der Zerstörung auch in der Partnerstadt.

Die entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit fand nach
1990 nur noch auf niedrigem Niveau statt. Schließlich konnte gipanic jetzt nicht mehr ein revolutionäres Vorzeigeland präsentieren, sondern musste sich mit Berichten über das „Rollback“ in Nicaragua auf ganzer Linie auseinandersetzen. Anlass für Öffentlichkeitsarbeit waren die Delegationsreisen von Bürgerinnen und Bürgern aus San Juan del Sur. Vertreter und Vertreterinnen von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, von Frauenorganisationen und aus der Kommunalpolitik bemühten sich dabei, ein umfassendes und lebendiges Bild der Lage in Nicaragua zu zeichnen. Persönliche Kontakte wurden da oftmals zu Freundschaften, die der gemeinsamen Projektzusammenarbeit nur förderlich sein konnten. Gegenbesuche von Vereinsmitgliedern in San Juan verschafften den Gießenern einen Einblick in die Schwierigkeiten des Alltags in Nicaragua. In enger Anbindung an gipanic gründeten die Busecker Lehrer und Lehrerinnen einen eigenständigen Schulpartnerschaftsverein, um schulrechtlichen und administrativen Problemen der Schulpartnerschaft aus dem Wege zu gehen.

Mitte der
90er Jahre wurde der Mitglieder- und Aktivenschwund im Verein immer mehr deutlich – das Montagsplenum war auf eine Handvoll Menschen zusammengeschrumpft, die die Alltagsgeschäfte nun effizienter in Angriff nehmen mussten. Die Projektanfragen aus San Juan häuften sich, die Projektabwicklung drängte sich immer mehr in den Vordergrund der Arbeit. Aufgrund persönlicher und biographischer Veränderungen der Aktiven wurde dagegen die zur Verfügung stehende Zeit für die ehrenamtliche Arbeit immer knapper. Für den Versuch, einen Koordinator für Vereinsaufgaben einzustellen, fehlten langfristig die notwendigen Mittel. Immerhin gelang die Herausgabe der Vereinszeitung JUNTOS als Versuch, die Öffentlichkeitsarbeit wieder stärker zu betonen. Leider musste die Redaktion nach sechs Ausgaben im Frühjahr 2000 die Produktion der gut aufgenommen Zeitung einstellen.

Seit
2003 besteht eine enge Kooperation mit Mitarbeitern des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) in San Juan del Sur. Ein Rückkehrer des DED ist nun aktiv in die Arbeit des Vereins in Gießen eingebunden. Die Nutzung des Internets vereinfachte den regelmäßigen Austausch zwischen gipanic und den Partnern in Nicaragua, was aber den persönlichen Kontakt nicht ersetzen kann. Deshalb freut sich der Verein, im Jubiläumsjahr 2006 eine vierköpfige Delegation aus San Juan begrüßen zu können. Ein Novum ist das Angebot für jüngere Menschen, über den Verein ein Praktikum in Nicaragua absolvieren zu können – die Erfahrungen damit sind durchweg positiv. Kontakt zu Volunta gGmbH unsere Entsendeorganisation

 

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