Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Gießen / San Juan del Sur und Region in Nicaragua e.V.
Achstattring 30
35396 Gießen
Wird Nicaragua geteilt?
Bei der Informationsveranstaltung des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft Gießen mit San Juan del Sur, zum geplanten Nicaragua-Kanal am 28.09.2015 in der Evangelischens Studierenden Gemeinde, wurde schnell klar: Ja Nicaragua wird geteilt.
Klaus Heß vom Informationsbüro Nicaragua e.V. berichtete detailiert über die Hintergründe und den aktuellen Stand des Mega-Projektes.
Quer durch Nicaragua soll ein gigantischer interozeanischer Kanal gebaut werden, der schon jetzt das Land spaltet. Für die Einen ist der Kanal der langersehnte Traum für eine bessere Zukunft. Für die Anderen ist er ein ökologischer und sozialer Albtraum. San Juan del Sur, die nicaraguanische Partnerstadt Gießens, liegt in unmittelbarer Nähe der geplanten Trasse und ist damit direkt betroffen.
Weitgehend ohne Information der Öffentlichkeit hat der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega bereits in 2013 mit dem bis dahin unbekannten chinesischen Unternehmer Wang Jing einen Konzessionsvertrag zum Bau des interozeanischen Kanals und weiterer Subprojekte geschlossen. Wang Jing hat dabei weitreichende Rechte (zum Beispiel zur Enteignung benötigter Grundstücke) und eine große Machtfülle übertragen bekommen.
Mit einer Länge von 280 km, einer Breite von bis zu 520 m und einer Tiefe von fast 30 m ist der „Gran Canal“, der unter anderem durch den ökologisch sehr sensiblen Nicaraguasee verlaufen soll, deutlich größer als der Panamakanal. Die Baukosten werden auf 50 Mrd. US-Dollar geschätzt.
Kurz vor Weihnachten letzten Jahres fand der offizielle Spatentisch statt. Baumaschinen rollten an und Vermessungsarbeiten begannen. Doch seit dem symbolischen Baubeginn ruhen die Bagger.
Seriöse Studien zur technischen Machbarkeit, zur Wirtschaftlichkeit und den Umweltauswirkungen des Mega-Projekts liegen bislang nicht vor.
Im Übrigen ist nicht bekannt, woher das Geld für den Bau kommen soll und welche Investoren dahinterstecken. Aus Sicht von Wirtschaftsexperten macht das Projekt ökonomisch überhaupt keinen Sinn.
Seit dem wird viel gemutmaßt: Welches Ziel wird mit dem Konzessionsvertrag wirklich verfolgt? Soll tatsächlich der Kanal gebaut werden? Oder geht es vorrangig um die Sicherung geostrategischer Interessen Chinas in Mittelamerika?
In einer sehr regen Diskussion wurde all diese Punkte während der Veranstaltung angesprochen. Zu einem greifbaren Ergebnis, was die Auswirkungen auf unserer Partnerstadt San Juan betrifft, konnte man nicht gelangen. Zu ungewiss sind die tatsächlichen Pläne und ihre Umsetzung.
Die Sehnsucht nach Freiheit, der Drang nach Erkenntnis und die Lust am Leben wie am Frausein durchzieht Gioconda Bellis preisgekröntes Werk. Nun war die nicaraguanische Autorin in der Petruskirche zu Gast. An ihrer Seite musizierte das Duo Grupo Sal.
Mit 18 Jahren kaufte sie sich von ihrem ersten Lohn
eine elektrische Schreibmaschine. Gedichte schrieb sie da noch nicht. Am Sonntag stellte Gioconda Belli, Jahrzehnte später, ihren neuen Gedichtband vor. Er vereint Poesie, Politik und Passion in
Fragmenten und Gedichten aus ihrem langen literarischen Schaffen, die die Grupo Sal in der Petruskirche zum Klingen brachte.
Die Sehnsucht nach Freiheit, der Drang nach Erkenntnis und die Lust am Leben wie am Frausein durchzieht Bellis preisgekröntes Werk. Mit dem 1988 erschienen Roman »Die bewohnte Frau« wurde die
nicaraguanische Schriftstellerin auch hier bekannt. »Die Frau, die ich bin« heißt die Anthologie mit Lyrik aus allen ihren Schaffensperioden, die sie gemeinsam mit Übersetzer Lutz Kliche vorstellte.
Frauen, in all ihren Widersprüchen, ihren Leidenschaften, dem Willen sich selbst kennenzulernen und die Grenzen vorgegebener Wege zu sprengen, sind ihre Themen. Als sie 2012 in Gießen ihren Roman
»Die Stadt der Frauen« vorstellte, war sie begeistert von der mittelhessischen Stadt mit einer Frau an der Spitze. Stellvertretend für das große Veranstaltungsbündnis begrüßte Astrid Eibelshäuser die
Gäste, unter ihnen Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz.
Rote High Heels trägt Belli nicht, wie vor zwei Jahren, als sie den Roman über eine Welt der Frauen vorstellte, doch ihre Poesie ist noch immer getragen von der sinnlichen Leidenschaft, eine Frau zu
sein und dem Mut eigene Wege zu gehen. Der Großvater war es, der ihr die Liebe zum Wort vererbte, indem er sie aufforderte, es zu ehren als das, was den Menschen besonders macht. »Manchmal empfinde
ich mein Geschlecht als Fluch!« lässt sie im Roman »Die bewohnte Frau« eine der Hauptfiguren sagen. Die Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper und der ihm zugedachten Rolle zieht sich wie ein
roter Faden durch die vorgestellten Fragmente und Gedichte. Als junge Frau ringt sie mit dem Wunsch zu und dem Willen, den eigenen Weg zu gehen. Später ist es die Ehefrau, die über die scheinbare
Faszination des Ehemanns für Model Cindy Crawford schreibt. Deren makellosem Körper stellt sie den eigenen, vom und für das Leben erprobten und von einer Kaiserschnittnarbe verzierten Leib entgegen,
den sie selbst nicht nur aus Gewohnheit liebt. Mit Leidenschaft, Zärtlichkeit und Fantasie rät sie dem dem Gatten zum Nachdenken und lockt ihn ins eigene Bett. Schließlich ist es in einem neuen
Gedicht der alternde Körper, ein steifes Bein oder eine klemmende Hüfte: »Niemand warnte mich vor dem, was hinter der Uhr wartet.« Doch in den »Ratschlägen für die starke Frau« lebt auch der
Kampfwille, gegen vererbte Schuldgefühle und die Mär von »dem Preis, der zu zahlen sei«. Niemals ist all das verbittert, sondern stets mit lateinamerikanischer Sinnlichkeit verbunden. Ihre »starke
Frau« ist nicht nur kämpferisch, sondern auch zärtlich zu sich und beschützt sich selbst, »nicht nur für sich, sondern für alle Frauen!«. Das ist nicht pathetisch und rührt sogar ihren Übersetzer an.
Poesie und Politik gibt es zum Schluss auch mit einem Gedicht, in dem noch einmal alle Energie und Leidenschaft liegt. Es geht um die Blumen, die den Frauen in Nicaragua am 8. März, dem
internationalen Frauentag, geschenkt werden. Doch »Wir wollen Blumen heute«, heißt es da, von denen, »die unsere Klitoris beschnitten«, »uns als Hexen verbrannten« oder schlugen – »Blumen, aus dem
Paradies, aus dem wir vertreiben wurden«.
Die starken Worte der Schriftstellerin nehmen Anibal Civilotti und Ferdinando Dias Costa feinfühlig auf und lassen sie mit Percussions, Gitarrenklängen und samtweichen Stimmen nachklingen. Da trägt
der Tango aus Argentinien die Hoffnung auf ein besseres Leben oder eine Samba-Melodie die Leidenschaft in das moderne, nur mäßig gefüllte, moderne Kirchenrund. Doris Wirkner
© Gießener Allgemeine Zeitung 2015 - www.giessener-allgemeine.de
Fast 100 Zuhörer waren zum Auftritt der international bekannten Schriftstellerin und Lyrikerin Gioconda Belli aus Nicaragua und der Musikgruppe Grupo Sal Duo in die Gießener Petruskirche gekommen.
Stadträtin Astrid Eibelshäuser verwies in ihrer Begrüßung der Gäste auf die seit 29 Jahren bestehenden Beziehungen zu Gießens Partnerstadt San Juan del Sur in Nicaragua. Bei diesem lateinamerikanischen Abend nahm Belli die Zuhörer mit ihrem neuen Gedichtband „Die Frau, die ich bin“ mit auf eine sehr persönliche Reise durch das innerlich und äußerlich bewegte Leben der renommierten Autorin von den 70er Jahren bis heute. Gedichte voll poetischer Sinnlichkeit und Kraft, intellektueller Erkenntnis und dem Willen, das eigene Leben und den Lauf der Welt zu gestalten, wechselten sich ab mit den leidenschaftlichen Klängen der Grupo Sal, die in ihren Kompositionen Elemente und Einflüsse verschiedener lateinamerikanischer Kulturen vereint. ka/Foto: Anders
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